Ingo Elbe
XVII. Wertkritik ohne Wertbegriff
Anmerkungen zum Marxismus-Mystizismus
Auch wenn wertkritische Positionen zu Recht gegen den Postoperaismus geltend machen, Marx’ ‚Kapital’ sei keine soziologistische Klassentheorie ‚voraussetzungsloser, an sich seiender Konfliktsubjekte’, sondern eine qualitative Theorie moderner Reichtumsformen, bleibt der Begriff von diesen Reichtumsformen doch auch in wertkritischen Ansätzen meist unklar oder wird gar in einer mystizistisch-theologischen Weise konzipiert.
Wert, Geld und Kapital werden nach dem Vorbild des christlichen Gottes oder seiner modifizierten Hegelschen Variante vorgestellt, das ganze dann als ‚Aufklärungs-‚ ‚Positivismus-’ oder gar ‚Theoriekritik’ verkauft. Als sei Religionskritik die Konstatierung und moralische Ablehnung eines real existierenden personalen Gottes, wird Kapitalkritik als Konstatierung und moralische Ablehnung eines real existierenden logischen Widerspruchs verstanden, demzufolge „4=5“, „ein Ding zugleich und in derselben Hinsicht Nicht-Ding“ sei usf. Dies ist nicht nur Resultat einer spezifisch deutschen Vorliebe für die „mysteriöse Komposition von Gegensätzen“ (Feuerbach), sondern auch einer Konfusion hinsichtlich der Abstraktionsebenen der Darstellung im ‚Kapital’ (Stichwort: Wert als vermeintliches ‚Gedankending’) und einer Verwischung der Differenz von Formanalyse und Ideologiekritik (Stichwort: Wert als vermeintliche ‚verrückte Form’).
Das, was Marx an bürgerlicher Geschichtsphilosophie und Politökonomie kritisiert, wird von diesen marxistischen ‚Theologen’ für dessen eigene Position ausgegeben, Marx in einen pseudotiefsinnigen deutschen Ideologen verwandelt und dem Irrationalismus Tür und Tor geöffnet. Dagegen soll gezeigt werden, dass Marx’ werttheoretische Grundbegriffe mit dem „credo quia absurdum est“ marxistischer Theologie nichts zu tun haben und eine wissenschaftliche Analyse der Formen des gesellschaftlichen Reichtums keineswegs einer Rationalisierung ihres Gegenstands gleichkommt.