Ingo Elbe
XIII. Was bleibt vom westlichen Marxismus?
‚Praxis’, ‚Subjekt’ und ‚Hegemonie’
Der sogenannte ‚westliche Marxismus’ entsteht in den 1920er Jahren zunächst nicht als Antwort auf einen genuin ‚östlichen’ Marxismus, sondern auf die versteinerte Marx-Orthodoxie der internationalen Sozialdemokratie, die später freilich in der Sowjetunion zur staatsoffiziellen Doktrin gerinnt. Er sucht Erklärungen für die Krise der sozialistischen Arbeiterbewegung im Gefolge des ersten Weltkrieges (Zerbrechen der II. Internationale an der Politik der ‚Vaterlandsverteidigung’, Scheitern der Revolutionen in Mittel- und Südeuropa, Entstehen faschistischer Regimes usw.), die das traditionelle Bild von Marxscher Theorie verändern und ‚bürgerliche’ Theoretiker, wie Hegel oder Freud, für ihre Zeitdiagnosen berücksichtigen. Insbesondere Georg Lukács und Antonio Gramsci begründen innerhalb dieser Formation zwei Strömungen, die noch bis heute Einfluss auf das marxistisch inspirierte Denken haben. Während Lukács einen ‚kritischen Marxismus’ ausarbeitet, dessen Motive von der Frankfurter Schule und dem humanistischen Neomarxismus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg aufgenommen werden, ist das Werk Gramscis Inspiration sowohl für den französischen strukturalen Marxismus als auch die ‚postmarxistischen’, dekonstruktivistischen Ansätze geworden.
Der Vortrag soll auf verständliche Weise Grundgedanken des westlichen Marxismus und ihre heutige Wirkung vorstellen, aber auch auf blinde Flecken sowohl seiner ‚kritischen’ als auch seiner ‚neo-gramscianischen’ Tendenz hinweisen.