Isabelle Klasen/ Sebastian Dittmann
Poesie und Revolution. Thesen über den Versuch der Aufhebung der Kunst in der Situationistischen Internationale
„Um Kunst zu machen, ist es recht spät“
(‚Potlatch‘ N° 25, 26.1.1956)
Der Dadaismus wollte die Kunst liquidieren, sie „aufheben (...), ohne sie zu verwirklichen“, der Surrealismus dagegen sie „verwirklichen, ohne sie aber aufzuheben“: Seine originär revolutionären Bestrebungen versandeten innerhalb des Bestehenden, nicht zuletzt, weil dieses den zumindest formalen Vorsprung der Kunst eingeholt hatte. Die Situationistische Internationale begriff sich konsequent als bestimmte Negation beider Positionen. Ihre Kritik „hat gezeigt, daß die Aufhebung und die Verwirklichung der Kunst die unzertrennlichen Aspekte ein und derselben Überwindung der Kunst sind“ (‚Die Gesellschaft des Spektakels‘, 1967). Denn der befreiende Charakter einer künstlerischen Emanzipationsbewegung hinge von der Besitzergreifung der am weitesten fortgeschrittenen technischen Mittel ab; so sollte die in der Kunst in eine eigene Sphäre ver- und gebannte ästhetische Qualität in die wirkliche Welt zurückgenommen, die Poesie mit dem Leben versöhnt werden: Die bestehende Welt wäre radikal verändert, jede Klassenherrschaft beendet.
In dieser Aufhebung der Kunst erblickten die Situationisten die „Nordwestpassage“ der proletarischen Revolution, welcher der Vortrag nachzuspüren verspricht.