II. Kritische Theorie und Psychoanalyse: Studien zum autoritären Charakter

Vortragstext

Mit dem im Rahmen des Frankfurter Instituts für Sozialforschung entwickelten Ansatz öffnete sich kritische Gesellschaftstheorie – im krassen Gegensatz zu den Fortschrittsmythologien des parteioffiziellen Marxismus sozialdemokratischer wie stalinistischer Provenienz – den Erfahrungen des ‚Katastrophenzeitalters’. Sie entdeckte – plakativ gesprochen – die Relevanz des ‚subjektiven Faktors’ in einer durch die ‚Verkehrung von Subjekt und Objekt’ (Marx) gekennzeichneten Gesellschaft.

Mit dem Versuch der sozialpsychologischen Ergründung noch der triebstrukturellen Grundlagen der Reproduktion einer ‚unvernünftigen Gesellschaft’, stellte die Kritische Theorie das Resultat eines Lernprozesses dar, dessen Niveau auch von verwandten Vertretern und Richtungen eines kritischen Marxismus nicht erreicht wurde; denn gerade die ‚irrationale’, emotionale Dimension sozialer Praxis, wie die soziale Dimension des Triebhaften blieb diesen weitgehend fremd. Zugleich gelang der Kritischen Theorie die Ausarbeitung einer Psychologie ohne Psychologismus: Sie öffnete sich der Psychoanalyse, ohne eine historisch-materialistische Perspektive aufzugeben.

Angesichts eines seit den 90er Jahren – nicht nur – in Deutschland wieder auflebenden offenen Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus, bestätigen sich die Diagnosen Adornos vom „Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie“ und beanspruchen die Untersuchungen der Frankfurter Schule zu Autoritarismus und Antisemitismus eine ungebrochene Aktualität.

Gegenstand des als Einführung konzipierten Seminars sind die theoretischen Grundlagen einer kritischen Sozialpsychologie des ‚spätbürgerlichen’ Subjekts, insbesondere des autoritären Charakters, wie sie seit Anfang der 30er Jahre von den Vertretern der Frankfurter Schule entwickelt wurde.