Jan Rickermann
„Wenn wir dich eliminieren, verlieren wir nichts.“
Zur Gesellschaftslehre des Kommunismus der Roten Khmer
Galten die Roten Khmer vor einigen Jahren lediglich als Beispiel für die Gewalt kommunistischer Gesellschaftsentwürfe, so gewann die Thematik in letzter Zeit durch den Versuch, einige der Verantwortlichen der von 1975 bis 1979 andauernden Gewaltherrschaft in Kambodscha vor ein Gericht zu stellen, an Bedeutung. Neuere Publikationen gehen dabei über die früher weit verbreiteten Vorstellungen vom Steinzeitkommunismus der Roten Khmer oder des Massenmordes an Brillenträgern hinaus und versuchen, wie Rithy Panhs Werk Auslöschung (2013), ein präziseres Bild der damaligen Verhältnisse und der Täter zu zeichnen. Auch die große Begeisterung, mit der sich westliche Linke der Utopie von der noch reineren kambodschanischen Revolution hingaben, ist mittlerweile im Buch Pol Pots Lächeln (2013) von Peter Fröberg Idling am Beispiel schwedischer Intellektueller – unter ihnen Jan Myrdal – thematisiert worden. Die Relativierung der Verbrechen der Roten Khmer gehörte auch in Deutschland zu den Verfallserscheinungen einer Linken, die sich schon mit Bildern der chinesischen Kulturrevolution „eine Befreiung vom entfremdeten Dasein der westlichen Konsumgesellschaft“ herbeisehnte. Wie weit die Begeisterung für das Regime ging, demonstriert exemplarisch der 1979 stattgefundene Besuch des ZK des Kommunistischen Bunds Westdeutschlands (KBW) in Kampuchea.
zum Text:
(erschienen in: sans phrase. Zeitschrift für Ideologiekritik, Heft 9/Herbst 2016)