Ingo Elbe

„Es ist nicht gut, daß der Mensch ohne Feind sei“

Das Politische und die „Vernichtung des Einzelnen“ im Denken Carl Schmitts

Carl Schmitts Denken bringt die totalitären Potentiale einer politischen Philosophie des Als ob und eines von allen guten Geistern verlassenen Idealismus auf den Punkt. ‚Totalitär‘ soll hier lediglich bedeuten, dass die menschenfeindlichen Potentiale des modernen Staates als solchem in ideologisch verzerrter Form herausgearbeitet und dabei zugleich überaffirmiert werden, sodass noch jede individuelle Bedürfnisse berücksichtigende Zweckbestimmung des Staates aus dem politischen Denken ausgeschieden wird. Die folgenden Ausführungen sollen die Kontinuität dieses Motivs in Schmitts politischer Philosophie und Rechtstheorie aufzeigen, ohne auch nur im Entferntesten eine Darstellung aller Aspekte seiner politischen Theorie zu beanspruchen oder deren ideengeschichtliche Quellen in den Vordergrund rücken zu wollen. Nicht „Schmitt als geistesgeschichtliches Unikum“ , sondern der staats- und rechtstheoretische Sachgehalt seiner Schriften und deren politisch-ideologische Funktion stehen im Zentrum. In drei Schritten wird dabei aufgezeigt, dass Schmitt ein normatives Programm der Degradation des Einzelnen verfolgt:
1) Zunächst wird die Grundlegung entscheidender Elemente dieses Programms anhand der Frühschrift über den Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen verfolgt.
2) In einem zweiten Schritt soll Schmitts Begriff des Politischen untersucht und dessen deskriptive Unbrauchbarkeit erwiesen werden, um sodann sein noch fragwürdigeres normatives Anliegen herauszuarbeiten, das um einen faschistischen Begriff des Ernstes kreist.
3) Schließlich wird der Begriff des substanziellen Dezisionismus als Grund-konzept der rechtstheoretischen Aspekte des Schmittschen Denkens entfaltet, das sich um die Entmachtung des parlamentarischen Gesetzgebers und des einzelnen Rechtssubjekts zugunsten einer autoritär umgedeuteten und mit einem irrationalistischen Gemeinschaftsnaturrecht verbundenen ‚Volkssouveränität‘ dreht.

Inhalt:

1. Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen
1.1 Recht und Macht
1.2 Der Staat
1.3 Der Einzelne oder „‘stirb und werde‘“

2. Der Begriff des Politischen
2.1 Bonapartistische Politik
2.2 Aporien des Feindbegriffs
2.3 Die Bejahung des Naturzustandes
2.4 Der Ernst des Lebens
2.5 Die Ewigkeit personaler Herrschaft

3. Substanzieller Dezisionismus – Verfassung, Verfassungssubstanz und Volkssouveränität
3.1 Existentieller Verfassungsbegriff
3.2 Faschistische ‚Demokratie‘
3.3 Kommissarische als souveräne Diktatur
3.4 Repräsentation und Identität
3.5 Naturrecht des Stärkeren

4. Resümee

zum Text:

(erschienen in: Ingo Elbe, Paradigmen anonymer Herrschaft. Politische Philosophie von Hobbes bis Arendt. Königshausen&Neumann, Würzburg 2015)