Initiative antiherrschaftliche Gesellschaftstheorie
Staat = Politik?
Anmerkungen zu Ökonomie und Politik im Kapitalismus
Die Frage nach dem Verhältnis von kapitalistischer Ökonomie und Politik ist ein Evergreen
der linken Theoriebildung. Während in der traditionsmarxistischen Debatte seit Lenin die
Auffassung vorherrschte, dass der Staat im Kapitalismus unter der Fuchtel einer kleinen
Anzahl von ‚Monopolherren’ stehe, verliefen die staats- und politiktheoretischen
Diskussionen der sog. Neuen Linken seit den 1970er Jahren zwischen zwei anderen Polen:
Auf der einen Seite die westdeutsche ‚Staatsableitungsdebatte’, in der gefragt wurde,
inwiefern bestimmte staatliche Maßnahmen für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen
Ökonomie zugleich notwendig wie auch durch diese begrenzt sind. Da einige ihrer Ansätze
dazu neigten, alle staatlichen Aktionen als für die Kapitalakkumulation funktional zu erklären,
haftet der ‚Staatableitungsdebatte’ bis heute der Ruf des ‚Ökonomismus’ bzw.
‚Funktionalismus’ an. Auf der anderen Seite finden wir die Regulationsschule und den (Post-)
Operaismus, die versucht haben, sowohl den Staat als auch die Ökonomie als ‚umkämpft’ zu
begreifen. Zumindest der Tendenz nach wurde hier jedoch die Position nahegelegt, dass alles
– selbst die Differenzierung von Staat und Ökonomie – eine Frage von Politik
(Regulationsschule) bzw. Klassenkampf (Operaismus) sei und jederzeit auf der
Tagesordnung stünde.
Die Wichtigkeit der Einsichten, die in den skizzierten Diskussionen erzielt wurden, soll
im Folgenden keineswegs bestritten werden. Jedoch wollen wir – gerade im Rückgriff auf
diese Debatten – die Auffassung vertreten, dass das Thema als Frage nach dem Verhältnis von
Ökonomie und Politik falsch gestellt ist, denn auf diese Weise wird das Problem der
Differenzierung zweier gesellschaftlicher Bereiche (Ökonomie und Staat) mit der
Unterscheidung zweier sozialer Logiken (Herrschaft und Politik) durcheinandergeworfen.
(erschienen in: Phase 2, Nr. 18/ 2005)