Hans-Peter Büttner
Staat, Kapital und ökonomische Krise
Eine kritische Untersuchung der Konjunkturlehre der Österreichischen Schule der Nationalökonomie
Die im Jahre 2007 ausgebrochene Weltwirtschafts- bzw. – nach offizieller Diktion – „Weltfinanzkrise“ überraschte in ihrer zum Teil dramatischen Verlaufsform die etab-lierten Wirtschaftswissenschaften und warf für die neoklassischen Mainstream-Ökonomen das bis heute nicht gelöste Problem einer überzeugenden Erklärung der Krise auf. Infolge dieses weitgehenden Versagens der Standardmodelle schlug nun die Stunde einiger mehr oder weniger „heterodoxer“ ökonomischer Schulen. Hierbei sind drei Ansätze zentral, von denen ich die ersten beiden hier nicht behandle, nämlich der keynesianische Erklärungsansatz (endogene Krisenverursachung durch einen Überhang nicht rentabel investierbarer Ersparnisse bei zu geringer effektiver Nachfrage), der marxistische Erklärungsansatz (endogen verursachte Krise des Finanzkapitals aufgrund „tendenziellen Falls der Profitrate“ in der „Realwirtschaft“) und der Österreichische Erklärungsansatz (exogene Ursache durch staatliche Notenbankpolitik und deren künstlichen, marktexogenen Geldzinssatz).
Der Österreichische Ansatz zur Erklärung der Krise unterscheidet sich von der key-nesianischen bzw. marxistischen Analyse zunächst dadurch, dass die Krise als durch markt-fremdes („exogenes“), staatliches Handeln verursacht verstanden wird. Das österreichische Erklärungsmodell hat in jüngster Zeit eine steigende Popularität nicht nur in der US-amerikanischen Diskussion z.B. durch den sehr populären, rechtslibertären US-Politiker Ron Paul und weite Teile der „Tea Party-Bewegung“, sondern auch in Europa und Deutschland erlangt. Dabei liegt das „Zentrum“ der neueren Österreichischen Schule eindeutig in den USA, mit dem sehr einflussreichen Ludwig von Mises Institute in Auburn/Alabama und der dort herausgegebenen Zeitschrift „Quarterly Journal of Austrian Economics“.
Der vorliegende Text dient der Einführung in die der Österreichischen Konjunkturlehre zugrunde liegende ökonomische Theorie mit Fokus auf ihren krisenanalytischen Aussagekern. Selbstverständlich kann der Vielfalt der Österreichischen Schule der Nationalökonomie auf derart beschränktem Raume nicht gebührend Rechnung getragen werden. Als „fester Kern“ der Österreichischen Konjunkturlehre wird deshalb die Theorie von Mises, Hayek und Garrison (unter Einbeziehung des sehr einflussreichen Mises-Schülers Murray Rothbard) vorausgesetzt, denn diese Autoren bilden die zentralen Referenzgrößen in diesem Diskursfeld und sind als weitgehend übereinstimmender „Arbeitszusammenhang“ anzusehen. An die Darstellung dieser Theorie schließt sich eine Diskussion der theoretischen Modellprämissen und der ökonomischen Methodologie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie – mit Fokus auf die Konjunkturtheorie und deren kapitaltheoretische Voraussetzungen – an.