Urs Lindner
Materialismus der Praxis und historische Sozialwissenschaft
Zur doppelten wissenschaftsgeschichtlichen Bedeutung von Karl Marx
Die kleine Marx-Renaissance, die seit einigen Jahren statt findet, hat zumindest in
einer Frage Klarheit gebracht: Marx ist ein Autor, dessen wissenschaft liche Bedeutung
weit über das 19. Jahrhundert hinausreicht. Dabei ist es zunehmend üblich
geworden, zwischen Marx und den historischen Marxismen zu unterscheiden, mit
denen er früher oft gleichgesetzt wurde ... Charakteristisch für die aktuelle
Rezeptionspraxis ist es, dass
– im Unterschied zu früheren, mehr weltanschaulichen Rezeptionen – erstmalig
das große wissenschaftliche Projekt von Marx im Zentrum der Aufmerksamkeit
steht: seine ‘Kritik der politischen Ökonomie’, d.h. die Theorie der kapitalistischenProduktionsweise, die er in Kritik an der ökonomischen Wissenschaft seiner Zeit
entwickelt hat. Wenn heute die wissenschaft lichen Leistungen von Marx betont
werden, geschieht das zumeist auf einer inhaltlichen Erklärungs- und Argumentationsebene,
auf der es um die Reichweite und das Abstraktionsniveau einzelner
Theoreme (z.B. des Zusammenhangs von ‘Ware’ und ‘Geld’) geht. Um was für einen
Typus Wissenschaft es sich bei der Kritik der politischen Ökonomie überhaupt
handelt und welche Rolle die Philosophie dabei spielt, das wird bisher jedoch nur
selten diskutiert.
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Verlagsseite: Philosophieren unter anderen
(erschienen in: U. Lindner/ J. Nowak/ P. Paust-Lassen (Hg.): Philosophieren unter anderen. Beiträge zum Palaver der Menschheit, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2008)