Udo Wolter
Frantz Fanon – Antikolonialismus und Postkolonialismus
Vortrag, gehalten 30.11.2002 in Bochum
Frantz Fanon, dessen Tod sich am 6. Dezember letzten Jahres zum vierzigsten mal gejährt hat, wurde
durch seine Schriften wie auch seine Biographie zuallererst ein Symbol des revolutionären Kampfes der
»Verdammten dieser Erde« gegen koloniale und imperialistische Unterdrückung schlechthin. Die durch
den Titel seines Hauptwerkes sprichwörtlich gewordene Bedeutung Fanons für den revolutionären
Befreiungskampf der »Dritten Welt« führte, nicht nur in der deutschen Linken vor allem nach ’68, zu
einer ikonenhaften und selektiv auf die Legitimation des bewaffneten Kampfes gerichteten Fanon-
Rezeption. Diese beschränkte sich wesentlich auf das erste Kapitel seines Hauptwerkes unter der
Überschrift »Von der Gewalt« und das von Jean-Paul Sartre verfasste Vorwort zu den »Verdammten
dieser Erde«. Dessen moralisch rigorose Zuspitzung von Fanons Thesen dürfte unwillentlich die ebenso
falsche wie platte Lesart Fanons als Gebrauchsanweisung für den bewaffneten Befreiungskampf
begünstigt haben. Dazu trug sein Ruf als Künder des gewaltsamen Aufbegehrens der unterdrückten
Massen in den drei Kontinenten ebenso bei wie sicher auch sein früher Tod. Das Bild Fanons fügte sich
nur allzu gut in den Mythos des »live fast and die young«, und die Popularität seines Namens stand in
eher umgekehrtem Verhältnis zum Wissen über den wirklichen Gehalt seiner Theorie. Seit Ende der
80er Jahre schien seine Theorie in der radikalen Linken dann zusammen mit dem Niedergang der
nationalen Befreiungsbewegungen und des klassischen Antiimperialismus etwas in Vergessenheit zu
geraten. Nur antiimperialistische Rest-Zusammenhänge zückten ihr Fanon-Ticket weiterhin
gewohnheitsmäßig, wenn sie sich mit unliebsamer linker Kritik an ihren revolutionsromantischen
Projektionen auf nationale Befreiungsbewegungen und sogenannte »kämpfende Völker« im »Trikont«
konfrontiert sahen. Vor zehn Jahren stellte Detlev Claussen daher resigniert fest, »vergessen wurde
jedoch der Begründungszusammenhang von Fanons theoretischer Arbeit, und das kritische Potential
seiner antikolonialen Revolutionstheorie blieb unentdeckt.« Dieser relative Stillstand in der Diskussion um Fanons Werk sollte mit dem Aufkommen von
»Postcolonial Critique« und "Cultural Studies" als neuer Theorieströmung an den anglo-amerikanischen
Universitäten wieder enden.
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