Hendrik Wallat
Staat oder Revolution
Aspekte und Probleme linker Bolschewismuskritik
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Der Bolschewismus ist der Inbegriff des Scheiterns kommunistischer Emanzipation. Entgegen dem Verständnis des Bolschewismus als „revolutionär“ lässt sich zeigen, dass es von Anfang an hellsichtige Kritik von Links am bolschewistischen ‘Befreiungsmodell’ gab. Diese ist weder als reaktionär abzutun, noch musste sie auf Stalin warten, um zu wissen, dass die Revolution die Herrschaft nicht abschaffte, sondern in einem neuen Staat totalisierte. Im Interesse der Gegenwart gilt es, diese verdrängte Geschichte dem Vergessen zu entreißen.
Im Mittelpunkt steht die Darstellung zentraler theoretischer Kritiken an Lenin und seinen Genoss*innen, die links von der Sozialdemokratie entstanden sind: Trotzki, Luxemburg, Gorter, Pannekoek, Rühle, Rocker, Goldman, Steinberg, Korsch, Weil und viele weitere kommen zu Wort. Diese Revolutionäre teilten mit dem Bolschewismus die Kritik an Reformismus und Kapitalismus, erkannten aber, dass jener selbst eine neue Form der Herrschaft war, die der (Arbeiter*innen-)Selbstbefreiung entgegenstand.
286 Seiten, 29,80 Euro
ISBN 978-3-942885-17-1
2012
Verlag Edition Assemblage
Aus dem Inhalt:
Einleitung
Lenins Politik- und Revolutionsmodell
Partei und Revolution
Staat und Diktatur
Geschichte und Gewalt
Exkurs: Lenin, Marx, Terror?
Die Organisationsdebatte der russischen Sozialdemokratie
Rosa Luxemburg
Der junge Trotzki
Grenzen der Kritik
Terrorismus und Kommunismus: Trotzki, Kautsky, Luxemburg
Trotzki und Bucharin
Karl Kautsky
Rosa Luxemburgs Metakritik
Grenzen der Metakritik
Moral und Geschichtsphilosophie: Georg Lukács als Philosoph der Oktoberrevolution
Von der moralischen Kritik zur geschichtsphilosophischen Apologie
Die Partei – der proletarische Weltgeist
Verdinglichung und Dialektik
Kritik des geschichtsphilosophischen Hegelmarxismus
Die Bolschewismuskritik der Rätekommunisten
Innerbolschewistische Arbeiter-Opposition und antibolschewistische Dritte Revolution
Die holländischen Rätekommunisten
– Herman Gorter
– Anton Pannekoek
– Gruppe Internationale Kommunisten Hollands
Die Partei ist immer schlecht
– Franz Pfemfert
– Otto Rühle
Die Bolschewismuskritik der Anarchisten
Freiheit vs. Diktatur: Rudolf Rocker
Reiseberichte aus Sowjetrussland: Emma Goldman
Oktoberrevolution oder Bolschewismus: Issak Steinberg
– Das System der politischen Terrors
– Emanzipation, Moral und Gewalt
Jenseits der Dogmatik: Karl Korsch und Simone Weil
Von Lenin zu Marx
Von Marx zu Lenin
Back to the future!?
Pressestimmen:
“In einem [...] sehr wertvollen Band arbeitet Hendrik Wallat die linke Bolschewismuskritik sehr fundiert und gut lesbar auf. Eine längst überfällige Arbeit, die vielen Interessierten die Wühlarbeit durch meterweise Literatur erspart bzw. erleichtert. Eine Arbeit, die hoffentlich auch dazu beiträgt, dass eine gemeinsame Auseinandersetzung über die linke Geschichte ermöglicht wird. Die sich auf Marx berufende Linke hat es sich in dieser Frage oft zu einfach gemacht und sich um unbequeme Fragen herumgedrückt.”
(analyse & kritik nr. 574/2012)
"Interessant sind die Portraits rätekommunistischer und anarchistischer Positionen am Beispiel von u.a. Anton Pannekoek, Franz Pfemfert, Otto Rühle und Rudolf Rocker. Auch das Kapitel über Isaak Steinberg, den in Vergessenheit geratenen russischen linken Sozialrevolutionär und bis Frühjahr 1918 Volkskommissar der Justiz, streift das Dilemma bzw. die "Tragik jeder Revolution", die nach Steinberg "darin bestehe, dass sie, konfrontiert mit der alten Herrschaft, selbst nicht auf Gewaltanwendung wird verzichten können…". (S.205) Aufschlussreich sind die Lebensläufe und Brüche von Karl Korsch und Simone Weil oder zu sehen, dass z.B. die Anarchistin Emma Goldman "die tödliche Mischung aus brutaler Gewalt und blanken Zynismus, welche die bolschewistische Diktatur kennzeichnete" (S. 204), frühzeitig beschrieb und sich vom Bolschewismus nicht gefangen nehmen bzw. instrumentalisieren ließ."
(Graswurzelrevolution Nr. 372/2012)
"Hendrik Wallat ist das Verdienst zuzuschreiben, mit dem in der Edition Assemblage herausgegebenen Buch »Staat oder Revolution« Texte zur lange verschollenen linken Bolschewismuskritik wieder zugänglich gemacht zu haben."
( ak – analyse & kritik Nr. 577/2012)
"Hendrik Wallat ... legt mit "Staat oder Revolution" eine beeindruckende Untersuchung vor." (grundrisse 41)
"Wenn es wahr ist, dass die SiegerInnen die Geschichte schreiben, hat die linke Kritik am Bolschewismus doppelt verloren: gegen die Herrschaft des Kapitals und gegen ihre herrschaftsförmige Aufhebung im Staatssozialismus. Das Buch ist daher nicht nur ein fundiertes Nachschlagewerk für linke Kritik am Bolschewismus, sondern weckt ebenso Hoffnungen. Die von Wallat gerufenen Geister werden wieder umgehen können." (kritisch-lesen Nr. 34/2015)