Christine Zunke
Hirnphysiologie und Willensfreiheit. Zur Kritik der Hirnforschung
Die naturalistische These, dass es keine Freiheit geben könne, weil alles Material den Naturgesetzen unterliege, ist mindestens 200 Jahre alt. Wenig überraschend also, dass auch die Neuronen in unseren Gehirnen sich streng naturkausal verhalten. Die moderne Hirnforschung überrascht mehr durch ihre Popularität als durch ihre Forschungsergebnisse. Diese Popularität verdankt sich zu einem großen Teil der ideologischen Paßform dieser Wissenschaft: Die naturwissenschaftliche These, unser Wille sei nicht frei, aber die Vorstellung der Freiheit sei gleichzeitig eine notwendige Illusion unseres Gehirns, affirmiert vollständig jene gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Freiheit des Einzelnen staatlich garantiert wird und jeder Wille sich gleichzeitig selbst zum bloßen Mittel der Kapitalakkumulation bestimmen muss.
Christine Zunke ist Dozentin am Institut für Philosophie der Universität Oldenburg. Veröffentlichungen u.a.: Das Subjekt der Würde, Köln 2004; Kritik der Hirnforschung. Neurophysiologie und Willensfreiheit, Berlin 2008