Falko Schmieder

Charaktermaske

Als Kompositum zweier Nomen erscheint der Ausdruck ,Charaktermaske‘, so wie etwa auch ,Begriffsgeschichte‘ oder ,Verblendungszusammenhang‘, „spezifisch deutsch“. Aber auch im Deutschen wirkt er sperrig und fremdartig, weil die Bedeutungen der beiden zur Einheit gebrachten Substantive in Spannung zueinander stehen und sowohl historisch wie funktional auseinanderweisen. Marx macht sich in seiner Umwertung des Begriffs diese Spannungen zunutze. Der semantisch neu besetzte Ausdruck wird bei ihm zum „Träger von Dissonanz“ und übernimmt damit Funktionen eines Fremdwortes, wie Adorno sie in seinem Aufsatz „Wörter aus der Fremde“ beschrieben hat. Dazu gehört die Zerstörung des „Schein[s] der Naturwüchsigkeit“, die Marx durch ein Verfahren der Verfremdung des vermeintlich Vertrauten bewirkt. Hergestellt wird sie durch einen frappierenden Terrainwechsel, nämlich die Übertragung aus der Sphäre des Theaters bzw. der Ästhetik in den Kontext der politischen Ökonomie. Die emphatische Metaphorisierung konstituiert eine Art „innersprachliches Ausland“, das nicht nur Fremd-, sondern auch Muttersprachlern die Arbeit der ,Übersetzung‘ abverlangt, um sich den Begriff verständlich zu machen.

zum Text:

(erschienen in: Falko Schmieder, Georg Toepfer (Hg.), Wörter aus der Fremde. Begriffsgeschichte als Übersetzungsgeschichte, Berlin 2018, S. 58-64)